1983 Berlin

10.-28.8.1983 Berlin

Berlin

Mein erster Besuch in Berlin. Es sollten noch viele folgen.

Etwas abenteuerlich für einen Wessi (kannte man den Begriff damals schon?). Als Nichtflieger mit dem Zug durch die "Zone".

Es fing schon damit an, dass man einen Reisepass brauchte. Um nach Deutschland zu fahren! Das waren schon mal die ersten Unkosten für den Studenten.

Dann ging es per Zug nach Berlin. Bis zur Grenze wenig aufregend, wurde man dann doch etwas nervös. Aber man hatte sich ja vorher erkundigt und den Playboy zu Hause gelassen. Aber was dann kam war schon arg DDR: mit sagenhaften 80 km/h schlich der Zug von der Grenze nach Berlin. Heute kennt man das zwar auch, aber damals fuhr die deutsche Bahn noch flott und pünktlich. Naja, die deutsche Bahn der DDR halt nur pünktlich.

Berlin war zu der damaligen Zeit der Sehnsuchtsort der jungen Menschen in der BRD. Wer der Bundeswehr entgehen wollte und auch keinen Ersatzdienst leisten wollte, ging nach Berlin. Aber auch viele andere wurden von der Stadt angelockt. Und mir ging es nicht anders. Allein das Universitätsgelände und die Einrichtungen dort beeindruckten. Kultur, Kneipen, Discos alles war verlockend. Aber auch die kleinen simplen Spaziergänge durch die Straßen und Parks, haben sich bis heute ins Gedächtnis eingebrannt.

Kleiner Exkurs: in völliger Ignoranz der tatsächlichen Größenverhältnisse Berlins, hatte ich mir damals gedacht, ein kleiner Spaziergang zum Flughafen Tegel kann ja so dolle nicht sein. Es war ja auch nicht weit, nur rund 8 km. Meine Zeiteinteilung hat nur nicht gepasst. Und wenn man sieht, dass der kleinste Bezrik Berlins immer noch mehr Einwohner als Mainz hat, kann man verstehen, wenn man die Verhältnisse etwas unterschätzt. Der Kneipenwirt in Tegel hat trotzdem ein bisschen bedröppelt geschaut, als ich 2 große Wasser bestellt habe und auf Ex abgepumpt habe. PS: Das Phänomen der falschen Entfernungsperspektive hat grade in Berlin noch zu etlichen weiteren Irritationen geführt. Die Betroffenen werden wissen, wovon ich spreche.😎

Wenn man in Berlin ist, muss man natürlich den Ostteil der Stadt gesehen haben. Macht 10 Mark. Darf man sich aber etwas für kaufen. Nach dem Kaffeetrinken bleibt noch einiges übrig. Der Student in mir glaubt natürlich, dass die Lehrbücher der DDR auch was hergeben und natürlich viel billiger sind. Es gibt eine Unmenge von Büchereien in Ostberlin. Und auch eine Menge Literatur zu meinem Studienfach, aber wirklich kaufen muss man das nicht. Das Buch, was ich mir für das Eintrittsgeld gekauft habe, habe ich mal angefangen zu lesen und dann in die Ecke gefeuert.

Alles in allem war es im Ostteil bedrückend. Man kam sich immer beobachtet vor, was ja garantiert nicht so war. Aber wenn ich heute unsere "Neo"-konservativen Politiker in Polen, Italien, Ungarn anschaue, von dem "Präsidenten" der USA mal ganz abgesehen, dann fühle ich mich einfach nicht damit mehr wohl.

Nur 3 Wochen war ich in Berlin. Später noch einige Male. Das Gefühl hat sich über die Zeit nie geändert. Berlin wäre meine Stadt. Als sich meine Firma dazu entschloss, unsere Abteilung (sagen wir mal loszuwerden) nach München zu versetzen, hat das allenthalben zu Panik geführt. Meines Erachtens wäre es nur halb so schlimm gewesen, wenn das Ziel Hamburg oder Berlin gewesen wäre. Das wäre doch mal was gewesen, aber nicht das zu groß gewordene Dorf München.